Mehrfach gelesen:
Nein
Autor(in):
Nick Martin
Titel:
- Die Geilste Lücke im Lebenslauf: 6 Jahre Weltreisen (288 Seiten)
Gelesenes Format:
eBook
Rezension und Inhalt:
Vor einem Tag hatte mich noch der graue Himmel in Deutschland angegammelt, jetzt saß ich hier in kurzer Hose und Hoodie neben diesen krassen Menschen am anderen Ende der Welt.
Das Buch fängt an, wie einige andere Bücher aus dem Reisegenre auch. Scheinbar muss es anfangs immer dramatisch sein. Es müssen offenbar anfangs lebensbedrohliche Situationen geschildert werden. Insofern fühlte ich mich direkt an zwei nach Shanghai erinnert oder auch an Mit 50 Euro um die Welt.
Die Botschaft: Wenn man eine Reise macht, dann kann man was erleben und dramatisch muss es offenbar auch sein, damit das Buch sich auch absetzt.
Es war jedes Mal unglaublich schön, wenn wildfremde Menschen mir anboten, zu teilen. Nicht weil sie es mussten oder sich verpflichtet fühlten, sondern einfach, weil sie es wollten.
Die wenigsten Menschen ziehen dann aber wirklich los. Die meisten trauen sich nicht aus dem normalen Rahmen. Ein Lebenslauf ohne Lücken, eine reguläre Arbeit, vielleicht 30 Tage Urlaub im Jahr, wenn man in Deutschland lebt. Viele mögen nicht mal einen Urlaub, bei dem sie die Welt groß erkunden, sondern fahren an einen Ort, an einen Strand und in ein Hotel, wo sie einfach abschalten können. Sich über nichts Gedanken machen, keine Alltagstätigkeiten.
Das ist ok, jeder ist anders. Nick tickt aber nicht so.
Ich zog mein Handy aus der Tasche, schaltete es ein, und schon pingte Nachricht um Nachricht in meinen Posteingang. Fragen und Anweisungen von Arbeitskollegen, Termine … wie sehr hatte ich das vermisst. Nicht.
Oft setzt sich bei Leuten, die die Welt entdecken irgendwann die Erkenntnis durch, dass der 9-5 Job und 2 Tage frei in der Woche doch nicht alles sein kann. Manchmal kommen unbefriedigende Arbeitssituationen hinzu, die alles andere als motivierend sind. Bei Nick ist das schon ach viereinhalb Jahren im Arbeitsleben der Fall. Er hat sich knapp 10.000€ erspart und will damit die Welt erkunden.
Leider ist es so, dass man in dem Alter eigentlich am besten für derartige Reisen geeignet ist, weil man jung und belastbar ist und das Risikobewusstsein eher gering ist (das ist nicht immer gut aber hilft sicher, um die Welt auf diese Art zu erkunden), man ist offen für Neues und knüpft auch schnell Kontakt zu anderen, die das gleiche machen. In der Regel fehlt aber gerade in dem Alter das Geld.
»Nick, es war schön, dich als den Menschen, der du bist, kennengelernt zu haben. Wenn wir uns wiedersehen, wirst du ein anderer sein.«
Zumal man danach dann auch Schwierigkeiten haben wird wieder einen normalen Job zu bekommen. Also verschieben viele ihre Träume, bis sie irgendwann älter sind und zwar Geld aber nicht mehr die Gesundheit oder die Lust haben.
Die Motivation vom Autor ist die gleiche wie bei vielen anderen, die Lust haben die Welt zu erkunden. Neugierde. Lust auf Neues: Menschen, Kulturen, Landschaften und eben raus aus dem Hamsterrad zu kommen, in dem die meisten 40 oder 45 Jahre ihres Lebens verbringen und anschließend zurück schauen und sich fragen wo ihre Lebenszeit geblieben ist.
Wenn wir uns im Alltag bewegen, gibt es immer diese allgegenwärtige Grundsicherheit. Wir wissen, dass wir das nächste Mittagessen bekommen werden, dass zu Hause das WiFi funktioniert und dass Wasser aus der Leitung kommt, wenn wir den Hahn aufdrehen. Wir haben allein durch unsere Umgebung ein Sicherheitsgefühl, das uns so gut wie nie bewusst ist.
Man muss für diese Art des Reisens eine gewisse Naivität, Menschenkenntnis und auch ein gewisses Vertrauen haben. Es muss sich aber auch klar darüber sein, dass die Bücher von Leuten geschrieben werden, die ihre Reisen überstanden haben. Nicht immer läuft es so und nicht alle sind so erfolgreich. Nicht jeder Weltreise kann erfolgreiche Bücher schreiben.
Die Weltreise von Nick beginnt in Neuseeland und war also solche anfangs nicht geplant. Er begegnet dort mehreren Backpackern und seine Sehnsucht erwacht (DAS kann ich zu 100% nachvollziehen). Selbst danach braucht es dann noch eine Weile, bis er handelt.
Weitere Stationen sind Mexiko, USA, Kanada, Fidschi Inseln, Australien, Thailand, Kambodscha, Vietnam, Kuba, Guatemala, El Salvador, Nicaragua, Costa Rica, Panama, Kolumbien, Ecuador, Peru, Bolivien, Philippinen, Indonesien, Myanmar. Er besucht noch viel mehr Orte, aber das sind die im Buch behandelten. Jedes Land bekommt eine mehr oder weniger ausführliche Geschichte. Primär geht es um seine Erlebnisse, oft lustiges oder Kurioses.
Man sollte immer auf sein Herz hören und einfach machen, was es einem rät. Kats Vater hatte ein gutes Leben. … Ein Teil seines Herzens jedoch hatte immer hinaus auf den Ozean gewollt. Viele Jahre hatte er das innere Rufen und Drängen ignoriert – und gerade als er beschlossen hatte, seinem Herzen zu folgen, blieb es stehen.
Eine seiner ersten Stationen ist es Spanisch in Mexiko zu lernen. Reisen ist also nicht nur Erholung. In dem Fall kostest es Geld, es ist kein Urlaub, man lernt aber auch etwas.
Bei seinen Reisen lernt Nick englisch, spanisch, segeln, motorradfahren, tauchen und surfen und wird Rettungsschwimmer. Bei den Jobs ist alles mögliche Dabei. Barkeeper, Restaurantmanager, Koch, Fabrikarbeiter …
Nick ist offensichtlich ein Multitalent, dass auch ein geborener Entertainer ist. Durch seine positive Lebenseinstellung steckt er andere an.
Sehr gut gelöst ist, dass viele Fotos im Buch sind und auch an den Stellen, wo sie passen und nicht am Ende des Buches, wie das sonst schon mal der Fall ist.
Wie viel im Leben kann ich selbst beeinflussen, und wie viel ist einfach Schicksal? Wer entscheidet darüber, welche Menschen ihr bestes Leben leben dürfen und welche sich einfach fügen müssen, ohne je mitbestimmen zu können?
Wenn ich etwas am Buch kritisieren soll, dann am ehesten, dass es sich überwiegend auf besondere Ereignisse bezieht. Mit der Harpune beschossen, ausgeraubt, betrogen, Nahrungsmittelvergiftung usw. – dadurch ist es sehr unterhaltsam. Aber wenn man fast nur von solchen Erlebnissen liest, ist es irgendwann auch genug. Manchmal geht ein wenig unter was das besondere an einem Land ist. Anderseits stellt sich natürlich auch die Frage, ob man das in einem derartigen Buch überhaupt vermitteln kann.
Ich bin mir sicher, dass es aus mehreren Jahren Weltreise noch viel mehr zu erzählen gäbe.
Es hat sich überhaupt nichts geändert. Nur fühlte ich mich trotzdem völlig fremd. Ich erkannte, dass das Problem nicht außerhalb von mir lag, sondern tief in mir drinnen.
Die Botschaft im Buch ist eher, dass man von einer Idee zu einem Lebensmotto kommen kann und daraus sogar ein tragbares Geschäftsmodell werden kann. Nick hat es geschafft. Er hat seinen Traum verwirklicht und lebt jetzt seinen Traum. Auch bei ihm ist nicht alles toll. Nur reisen, wäre wohl Kaum genug. Aber er trifft auch jemanden, der seine Leidenschaft teilt.
Fazit:
Ich erinnerte mich wieder daran, dass sich im Leben nur etwas änderte, wenn man selbst die Verantwortung übernahm.
Neue Erkenntnisse gab es für mich anfangs wenig: Das Mantra, dass die armen Menschen oft die herzlichsten sind, findet man in fast jedem Buch dieser Art. Später kommt aber einiges dazu.
Der Autor lässt aber tief in seine Gefühlswelt blicken. Das ist wahrlich nicht bei jedem Reisebuch der Fall. Viele wollen möglichst tough rüber kommen, Nick hat überhaupt kein Problem damit auch peinliche Elemente zu beschreiben. Das wirkt absolut ungeschönt. Ich hatte zwar des Öfteren den Eindruck, dass er seine Erlebnisse ausschmückt aber oft gibt es auch das passende Foto dazu.
Er stand morgens in aller Frühe auf, fuhr zwei Stunden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Praxis, arbeitete dann für zwölf Stunden, um dann wieder zwei Stunden nach Hause zu fahren. Und das alles für gerade mal 300 Dollar im Monat. Als Zahnarzt.
Der Schreibstil ist sehr locker und authentisch. Das Buch liest sich wirklich gut. Das liegt auch daran, dass der Autor ein Talent zum Entertainer hat.
Interessant ist das Thema Travel Depression behandelt wird (übrigens auch das Gegenteil davon – die vollständige Übersättigung) und auch, dass sich die meisten Menschen für derartige Reiseerlebnisse wenig bis überhaupt nicht interessieren (das kann sich so bestätigen, siehe auch Spoiler).
Eine wichtigste Erkenntnis ist aus meiner Sicht: Lebe deine Träume heute, wer weiß, ob du es morgen noch kannst (ok, das ist nicht wirklich neu, sollte man sich aber immer wieder klar machen – die meisten Menschen realisieren das leider erst, wenn es zu spät ist).
Ich wusste, was mich zu Hause erwartete. Niemand würde Loopings schlagen, weil ich eineinhalb Jahre gereist war. Keiner meiner Freunde würde jedes Detail meiner Abenteuer erfahren wollen. Jeder lebte sein eigenes Leben, und das Reisen tat ich für mich.
Die zweite Erkenntnis ist: Nur du selbst kannst etwas ändern. Mach es, wenn du es willst. Beides nicht bahnbrechend aber man muss es eben auch machen. Nick hat es gemacht.
Eine kleine Randnotiz: Für die paar Seiten ist das Buch auch als Kindle Ausgabe mächtig teuer. Trotzdem ist es meiner Meinung nach den Preis wert. Aber das Buch ist kein Guide für “wie werde ich selbst zum Weltreisenden oder was muss ich beachten”. Das Buch ist ein reines Unterhaltungsbuch mit einigen Denkanstößen.
Bewertung:
4,5/5
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Offene Fragen / Ideen / Diskussionsstoff (Spoilerwarnung):
- Was sich bei dieser Art Büchern und bei dieser Art zu Reisen immer wieder zeigt. Man braucht eine gewisse Grundgelassenheit. Vieles lässt sich nicht planen und man hat auch nicht die Zeit dafür. Wenn man alles planen und Berücksichtigen will, kann man so eine Aktion nicht durchziehen. Das beste Beispiel ist schon der Beginn: Ich habe mir ein Auto gemietet und hatte keine Ahnung von Neuseeland. Einfach ab dafür …
- Der Autor hat vor seiner Reise immerhin einige tausend € gesammelt, auch wenn er recht naiv bzgl. seiner Ausgaben war schon deutlich besser als bei manch anderem, uns sich direkt darauf verlässt, sich irgendwie durch zu schnorren. Ich kann zwar verstehen, wenn man das Hamsterrad nicht mag aber nicht, wenn man sich von Leuten, die im Hamsterrad sind durchfüttern lässt. Der Couchsurfing Ansatz lebt ja eigentlich davon, dass man nimmt und gibt, insofern wundert mich, dass man das Jahre lang machen kann, ohne zu geben.
- Die Aktion mit den Skorpionen ist der Hammer. 🙂
- Einmal blau von der mexikanischen Grenze nach San Diego und wieder zurück. Ich glaube das würde ich in den USA auch eher lassen. Gibt’s dafür schon Knast, wenn man erwischt wird?
- Die Betrugsmasche ist wirklich lahm, da hätte man schon viel eher drauf kommen können aber andersrum ist man dann auch vielleicht nicht naiv und offen genug andere Sachen zu probieren.
- Das Desinteresse an der Reiselust bei anderen Menschen kommt mir bekannt vor. Es gab zwar einige Menschen, die an meinem Pacific Crest Trail Hike interessiert waren, aber die Anzahl war sehr überschaubar. Viele fragen einfach kurz nach, weil sich das ja so gehört, haben aber nicht das geringste Interesse. Das hätte ich so nie erwartet. Das ist aber offenbar vollkommen normal. Für alle anderen dreht sich die Welt weiter, sie haben ihre individuellen Probleme und nichts davon hat mit den eigenen Reiseerfahrungen zu tun. Selbst die Menschen, die sich dafür interessieren, haben nach maximal einer Stunde alles aufgenommen was sie wissen wollen (vermutlich schon mehr als sie wissen wollten). Abseits der Leute, die sich dafür interessieren, gibt es dann auch noch recht viele, bei denen hört sich “Sie waren doch ein halbes Jahr wandern, oder?” ungefähr so an, als wenn man beschlossen hätte neuerdings unter der Autobahnbrücke einzuziehen oder Teufelsanbetungen macht. Schon interessant wie sehr die meisten Menschen in ihrem Hamsterrad gefangen sind und nicht mal abseits davon denken können oder wollen.
- Oh Mann: Auf dem Dach vom Bus mit 60 Sachen und einpennen? 😉 Mal davon ab stelle ich mir gerade das Gesicht eines deutschen Busfahrers vor, wenn man ihn fragt, ob man auf dem Dach mitfahren kann, weil einem zu warm ist. Ob da nun ein paar Halteseile drauf sind oder nicht. Geschenkt.
- Die Erkenntnis, das nur Reisen nicht glücklich macht, habe ich nun auch schon mehrfach gelesen. Der Mensch ist wohl weder für nur Arbeiten, noch für nur Reisen gemacht.
- Ich glaube das ist das erste Weltreisebuch, in dem ich nichts von Visa, Einreiseformalitäten usw. gelesen habe. Man könnte meinen die ganze Welt steht einem offen und es gibt keine Behörden. 😉
- Der Epilog ist klasse. Ganz so simpel ist es wohl nicht, aber es hört sich wirklich gut an.
- Tja, und auch beim Weltreisen kommt es offenbar fast nur auf das Netzwerk an. Ich hätte nicht gedacht, dass man es nach ein paar Jahren schafft sich ein Netzwerk aufzubauen, bei dem man sich sogar zufällig irgendwo über den Weg läuft. Aber wahrscheinlich ist die Anzahl der Leute, die über Jahre um die Welt reist doch sehr überschaubar. So trifft man sogar dieselben Leute öfter.
- Einerseits ist das Buch unheimlich positiv und schreit aus jeder Pore – wage es, schmeiß dein bisheriges Leben hin, wenn du willst. Irgendwie geht es. Andererseits muss man auch sagen. Das ist genauso, als wenn man den Leuten zuruft: Werde Schauspieler, Musiker, Model. Nur sehr wenige sind so erfolgreich. Wenn ich mir Nicks Stationen anschaue, dann ist unter den Weltreisenden sicherlich herausragend erfolgreich. Es gibt mittlerweile einige Leute, die sowas machen und die wenigsten werden so erfolgreich, dass sie davon leben können. Das soll niemanden abhalten aber nur weil es für Nick derart erfolgreich ist, muss es für andere nicht ansatzweise so gut laufen. Klar, jetzt kann man sagen: Negative Sichtweise, no risk no fun.
Der Autor hat eine wirklich positive Lebenseinstellung, wenn man aus dem Buch was mitnehmen kann, dann wohl das. Wenn er in Vegas auf dem Strip tanzt oder in Vegas im Hotelzimmer strippt. Egal was er macht. Er sieht alles als Erfolg, auch wenn es nur ein paar Dollar bringt.
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